ÖFFENTLICHKEIT UND PRIVATHEIT
Dozentin: Helga Sternkopf
Bebilderte Präsentation auf RZ Laufwerk "Y:\" im Folder "Sternkopf"
ZENTRALE THESE:
Öffentlicher Raum ist einem permanenten Wandel unterzogen und muss diesem Antworten, denn der Gesellschaft selber ist ein permanenter Wandel inhärent. Das große Habitat der konzentrierten Gesellschaft bedingt demnach Reaktionsfähigkeit auf die permanente Bewegung ihrer Population.
DEFINITION ÖFFENTLICHER RAUM IN DER STADT / WAS BEDINGT Ö.R.
Freie Zugänglichkeit von Räumen / Plätzen. Ö.R. ist immer im Zusammenhang mit Menschen zu interpretieren, denn der Mensch selbst schafft öffentlichen Raum.
- "Verhalten schafft Raum, Raum schafft Verhalten"
POLARISIERUNG Öffentlicher Raum / Privater Raum
Luftbild Stadt in Blockbebauung: Straßen stellen öffentlichen Raum dar, der die Privatheit der Blöcke im Stadtraum abgrenzt. Die Straße wird von jedem genutzt, die Blockstruktur gewöhnlich nur von Anwohnern und Anrainern, also einem eingeschränkten Personenkreis. Blöcke sind allerdings durch Gänge und kleine Straßen erschlossen, die un wiederum einen Mix aus den beiden angesprochenen Raumcharakteren bilden.
DREI POSITIVE RAUMCHRAKTERE / Nutzbarkeit
- öffentlich
- gemeinschaftlich
- privat
zudem:
- halböffentlich
- Übergangsräume
Einige Stationen der Entwicklungsgeschichte:
ANTIKE / AGORA IN ATHEN
Auf Demokratisierungsansätze zurückzuführen, wurde die Agora als Gegenpol zu den bekannten Tempeln der herrschenden / klerikalen Elite, beispielsweise der Akropolis, für das Volk als multifunktional nutzbarer Raum für Handel und Kommunikation geschaffen
PROMENADE UM 1850
Mit fortschreitender Heraubildung des Bürgertums erstreitet sich dieses öffentliche Räume. Auch hier ist die Demokratisierung als Wegbereiter von Veränderung des Stadtraums zu beachten. Nutzung: Das Motiv des Flaneurs, der im öffentlichen Raum mit Gleichgestellten in Kontakt tritt und sich sehen lässt. Im Schatten der Idee ging es auch um die Kontrollierbarkeit der Nutzer, siehe die Hausmannschen Achsen in Paris als militärstrategischer Kontrollfaktor gegenübergestellt der gemeinnützigen Funktion als Durchlüftungsschneise.
DRITTES REICH
Gauforen und Lichtinszenierungen. Öffentliche Plätze werden für Machtdarstellungen bzw Propaganda instrumentalisiert.
FUNKTIONEN DES ÖFFENTLICHEN RAUMS
Öffentlicher Raum ist nicht als neutraler Raum zu interpretieren. Er spiegelt ein Abbild der Stadtgeschichte wieder und schafft Identität.
PROMENADE
Bsp Jungfernstieg, Hamburg
PARKS
Bsp Central Park, New York / "Grüne Lunge"
Parks können wie im Beispiel NY zum Anstieg von Bodenpreisen führen, wodurch ihnen also auch eine indirekte Funktion gegeben ist. Natur im Stadtraum bedeutet Lebensqualität, die wiederum den Mehrwert einer Lage schafft.
PLÄTZE
Bsp Marktplatz Siena, Markusplatz Venedig
Plätze inhärieren eine Vielzahl an wirtschaftlichen und sozialen Funktionen, die über ihre jeweilige Historie betrachtet allerdings eine Minimierungstendenz durchleben.
SPIELPLÄTZE
Bewegung, Begegnung - aber oft auch Tristesse, Orte von Verwahrlosung und Unsicherheit.
DENKMAL
Das Denkmal ist ein Zeichen, kommuniziert Geschichte und gibt Orten und Nutzern Identität. Sie wirken als Stimulanz des kollektiven Gedächtnisses.
Jedoch können sie von ihren Nutzern auch, z.B. als Spiegerät oder Sitzgelegenheit, zweckentfremdet werden.
KUNST
Kunstaktionen, Straßenmaler, ..
PARKPLATZ
Unüberschaubar, unsicher, anonym: Angstraum? Funktional nie zu 100% sicher - das ist öffentlicher Raum auch nie.
QUALITÄT IM ÖFFENTLICHEN RAUM
- Kurze Wege, interessante Straßen, Aufwertung von Wohngebieten durch Parks
- Architektur: Beispiel der zu Sitzgelegenheit von Nutzern zweckentfremdete Collonaden.
Die Nutzer bewerten nicht nur optisch, sondern auch funktional!
BAHNHOFSPLATZ
Visitenkarte der Stadt. Hier stellt sich die Frage: Wie soll Öffentlicher Raum aussehen und wer nutzt ihn?
KONTROLLE UND SICHERHEIT
Wenn Kontrolle und Sicherheit nicht vorhanden, werden entsprechende Plätze gemieden. Sicherheitsaspekte nehmen zu.
BEDEUTUNGSWANDEL ÖFFENTLICHER RAUM UND GEFÄHRDUNG
Durch die Trennung von Arbeit, Wohnen, ../Funktionstrennung kann sich die entstehende Monofunktionalität von Stadträumen als Qualitätsverlust äußern. Dies geht meist einher mit Verwahrlosung und fallenden Mieten.
Bsp: Arnulff-Klett-Platz in Stuttgart, 6-spurige Straße, Problem: Geruch/Smog und mangelnde Aufenthaltsqualität.
FEHLENDE DICHTE > LEERE RÄUME: Vitalität erfordert hohe Dichte
Zusammenhang Wirtschaft und Stadt > Zerfall von Städten durch negative wirtschaftliche Phänomene wie Standortauflösungen.
Zunahme des Pro Kopf Wohnflächenbedarfs in Deutschland
- 1950 15m²
- 1989 24,7 m²
- 2008 42 m²
BODENPREISE
Gentrifizierung und Monofunktionalität als Resultat von Bodenpreisentwicklungen
DEMONSTRATIONSRECHT
Demonstrieren - aber wo? Bsp Flughafen: Durch Privatisierung sind zuvor öffentliche Räume kein staatliches Eigentum mehr und per sé privat. Gerichte entschieden jedoch zu Gunsten der Demonstranten.
GESCHLOSSENE GESELLSCHAFTEN
Polarisierte Gesellschaftsschiten und hohes Sicherheitsbedürfnis führen zu Gated Communities.
- Gated Community
- Office Park
- Shopping Mall
- Ferienclub
SHOPPINGCENTERS
Was aber passiert mit alten Einkaufsvierteln? > Funktionsschmälerung typischer Innenstädte.
VERÄNDERUNGEN
Privates drängt sich z.B. in Form von lautstarken Unterhaltungen über Mobiltelefonie stark in den öffentlichen Raum. Vermischung von Tätigkeiten eher privater u. öffentl. Art. > Wandel
BRAUCHEN WIR ÖFFENTLICHEN RAUM ÜBERHAUPT NOCH?
> Web2.0 (Social Networking / Social Media, also Facebook, Twitter & Co)
Findet Öffentlichkeit heutzutage anders statt? Bedarf es in unserer medialisierten Gesellschaft denn noch öffentlichen Versammlungsraums? Vergleiche "Parallelöffentlichkeit" in totalitären Regimen, wo freier bzw sicherer Austausch bevorzugt im virtuellen Raum stattfindet (>Verfolgung. Anm.: Akuelles Beispiel: Organisation und Kommunikation der den Aufstand auslösenden Demonstration "Tag des Zorns" in Lybien über Facebook)
Gedanken hierzu
Die Frage ist sehr provokant und dient wohl mehr der begrifflichen Gewahrwerdung. Die Situation, dass mit der Weiterentwicklung des Internets eine Parallelwelt entstanden ist, die im Zeitalter von Social-Media kompatiblen Mobiltelefonen sich auch wieder in der Möglichkeit äußert, die Parallelwelt durch Mobilität mit der realen zu verknüpfen (Augmented-Reality ist ein deutlicher Indikator für das Bedürfnis der Menschen, die Nähe der Außenwelt unter optimierten Mitteln zu suchen, Wahrgenommenen Raum mit abrufbaren Informationen zu verknüpfen, Wahrnehmung von Wirklichkeit um eine Schicht zu erweitern - woran fehlt es ö.R. also?), darf man nicht als Wunsch der Menschen nach weniger öffentlichem Raum oder einem Schwund des Wunsches, sich mit Menschen in der Öffentlichkeit auszutauschen, missverstehen. Behauptet man, öffentlicher Raum verliere an Relevanz, da Menschen andere Möglichkeiten für Handel und Kommunikation nutzen, so vergisst man, dass das Bedürfnis i n d u z i e r t ist. Forschung kam zu Innovationen, mit diesen wurde die Möglichkeit gefunden, einen neuen Markt zu kreieren - und Märkte (also auch Bedürfnisse) werden durch Marketing geschaffen. Die Menschen bevorzugen die neuen Möglichkeiten zuallererst einmal, weil sie etwas Neues und Packendes und vor allem Hippes (Gruppenverhalten, Neigung des Menschen Verhalten zu spiegeln, Statuswünsche,...) darstellen, nicht aber weil es einen natürlichen Drang gäbe, jahrtausende alte Verhaltensmuster (die Versammlung im Freien, zwecks Austausch z.B.) über Bord zu werfen und eine Mutation zum digitalen Höhlenmenschen zu vollziehen. Social Media kann demnach doch kein Hinweis für notwendige Funktionsschmälerung öffentlichen Raums sein. Ich behaupte, dass die Minimierung von Öffentlichkeit in diesem Sinne demokratisch fahrlässig wäre und immer eine freiheitliche Reserve an typischem öffentlichen Raum gegen die Dystopie des Überwachungsstaats - der in unseren Sphären technologischer Entwicklung in der virtuellen Welt krasser wäre, als in der gebauten Umwelt - von vitalem Interesse jeder demokratischen Gesellschaft und somit aufrecht zu erhalten ist. Persönliches Fazit: Da mit Augmented Reality - also der nächsten Entwicklungsstufe - die Verknüpfung von öffentlichem Raum und virtueller Realität geschieht, verliert öffentlicher Raum nicht an Relevanz, sondern gewinnt sogar wieder an dieser, da eine neue Möglichkeit gefunden wurde, sich in diesem zu bewegen. Könnte die Frage nicht viel mehr lauten: Wie wird sich öffentlicher Raum im Zuge neuer Interaktionsformen an diese anpassen? Wer antwortet wem? Der öffentliche Raum den Interaktionsformen, oder die Interaktionsformen dem öffentlichen Raum? Wie gestalten sich Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen öffentlichem Raum, Politik und Technologie?
ÄSTHETISIERUNG DES ÖFFENTLICHEN RAUMS
"der narzistische Stadtraum"
EVENTS
Bei zu hoher räumlicher oder zeitlicher Vereinnhmung des ö.R. durch Events (Aktione, Konzerne, Stadtfeste) fühlen Bewohner und Anrainer sich belästigt.
BEWUSSTMACHEN VON ÖFFENTLICHEN RÄUMEN
Beispiel Kunstaktion. Gebäude das Abgerissen werden soll, wurde komplett mit blauer Farbe überdeckt, um bei den Bürgern Bewusstsein für das verwahrloste Objekt zu generieren und so eine Diskussion zu erzeugen.
SPRAYER
Unorganisierte Gestaltung > Konflikt
PARKOUR
Überwindung von privatem Raum
Aneignung von öffentlichem Raum / Zurückeroberung ['reclaim the city']
OBDACHLOSE
Teil unserer Gesellschaft und somit Nutzer von ö.R. - Leben in Ausgrenzung
FRAGEN
- Wer will öffentlichen Raum?
- Wer bezahlt?
- Wer nutzt?
- Brauchen wir Raum für soziales Leben?
FORDERUNGEN AN ÖFFENTLICHEN RAUM
- Muss öffentlich und frei nutzbar sein || gegen Ausgrenzung und Diskriminierung
- Topographische, vegetative und baulliche Definition
- Flexibilität und Nutzbarkeit
- Ästhetik
- Verweilqualitäten
- Sicherheit / Sauberkeit
- Teil eines Vernetzten Gesamtsystems